Der Ver­such einer glo­ba­len Ent­po­li­ti­sie­rung ist geschei­tert und hat nun auch im Mut­ter­land der ‚poli­ti­cal cor­rect­ness‘ eine poli­ti­sche Gegen­be­we­gung her­vor­ge­ru­fen. Die ame­ri­ka­ni­schen Wäh­ler haben geur­teilt. „The judge of a diner is not the cook, but the man who has to eat it“, heißt es in der Poli­tik des Aris­to­te­les. Einen spä­ten Wider­hall hört man noch in Lin­colns Get­tysburg Address: „… and that govern­ment of the peo­p­le, by the peo­p­le, for the peo­p­le, shall not peri­sh from the earth“. Die mas­si­ven Anstren­gun­gen gro­ßer Tei­le des links­li­be­ra­len Milieus, poli­ti­sches Aus­han­deln zu ver­wüs­ten und durch mora­li­sches Vor­schrei­ben zu erset­zen, das nicht mehr debat­tiert und je ver­schie­den beur­teilt, son­dern nur noch ein­heit­lich befolgt wer­den soll, waren zum Glück nicht von Dau­er. Das ist nicht son­der­lich über­ra­schend und spricht für die Wider­stands­kraft des Poli­ti­schen. Ein klu­ger Schwei­zer Kom­men­ta­tor sprach von einer Revo­lu­ti­on und wies dar­auf hin, dass sie von den Län­dern mit der aus­ge­reif­tes­ten repu­bli­ka­ni­schen Tra­di­ti­on aus­geht. Wie treff­si­cher die Ant­wort ist, hört man am schril­len Ton der Beur­teil­ten, deren Hege­mo­nie nun been­det sein dürf­te. Da wird vom Ende der Auf­klä­rung, dem Unter­gang des Wes­tens und der­glei­chen mehr apo­ka­lyp­ti­schen Hor­ror­sze­na­ri­en daher fabu­liert, als wenn das Jüngs­te Gericht ange­bro­chen wäre und der Glo­bus in den nächs­ten Tagen in einem schwar­zen Loch ver­schwän­de. Tat­säch­lich ver­liert nur eine bestimm­te selbst­er­nann­te (Priester)-Kaste ihre sicher geglaub­te Vor­rang­stel­lung. Eines der momen­tan am häu­figs­ten gehör­ten Wör­ter ist ‚unbe­re­chen­bar‘. Man kann die Angst der­je­ni­gen, die die­ses Wort im Mun­de füh­ren, förm­lich rie­chen. Was die einen unbe­re­chen­bar nen­nen, heißt bei den ande­ren Frei­heit. War Poli­tik nicht immer schon die Hal­tung zu und der Umgang mit dem, was nicht vor­her­zu­se­hen ist?

Eine poli­ti­sche Wahl war aus­nahms­wei­se nicht nur ein vor­aus­be­rech­ne­ter Stim­men­kauf, son­dern eine Wahl. Und es haben nicht Frau­en, nicht Lati­nos oder Schwar­ze und auch nicht wei­ße Män­ner ohne Hoch­schul­ab­schluss gewählt, wie uns das ‚wis­sen­schaft­li­che‘ Per­so­nal weis­ma­chen will. Weder deut­sche Frau­en, noch fran­zö­si­sche Schwar­ze noch irgend­ein ande­rer Nicht-Ame­ri­ka­ner war zu die­ser Wahl zuge­las­sen. Es ist genau die­se abgrün­di­ge Lücke zwi­schen dem gesell­schaft­li­chen und dem poli­ti­schen In-der-Welt-Sein, die der onto­lo­gi­sie­ren­de Iden­ti­täts­dis­kurs zu ver­de­cken sucht. Tat­säch­lich aber haben Ame­ri­ka­ner über Ame­ri­ka abge­stimmt. Offen­kun­dig wol­len sie mehr­heit­lich ein ande­res Ame­ri­ka, als das, wel­ches Hil­la­ry Clin­ton reprä­sen­tiert. Und um dem Ver­such einer Wie­der­ho­lung der Dolch­stoß­le­gen­de (Hil­la­ry Clin­ton war doch im Fel­de unbe­siegt …) gleich die Spit­ze zu neh­men: was in Ame­ri­ka eine poli­ti­sche Mehr­heit ist, ent­schei­det nicht irgend­ein Neun­mal­klu­ger, son­dern die ame­ri­ka­ni­sche Ver­fas­sung und, soll­te es begrün­de­te Zwei­fel geben, der ame­ri­ka­ni­sche Supre­me Court, wuß­ten doch die ame­ri­ka­ni­schen Ver­fas­sungs­vä­ter, daß die Demo­kra­tie im zeit­li­chen Ablauf der Regie­rungs­for­men eine Ver­falls­form ist und ori­en­tier­ten sich daher mehr an der ‚mixed con­sti­tu­ti­on‘, denn an ‚demo­kra­ti­schen‘ Mehr­hei­ten. Deut­lich ist bei die­ser Wahl bis­lang nur, was die Ame­ri­ka­ner nicht wol­len - was sie statt­des­sen wol­len, dar­über wer­den sie zu spre­chen haben - Aus­gang offen. Was Ame­ri­ka den Ame­ri­ka­nern bedeu­tet, ist wie­der eine poli­ti­sche Fra­ge gewor­den, denn auch die Ant­wort der Bewe­gung, die Donald Trump ins Wei­ße Haus getra­gen hat, wird natür­lich nicht die letz­te Ant­wort gewe­sen sein. Die Fra­ge nach dem Sinn von Glück wird sich nie end­gül­tig beant­wor­ten las­sen. Man den­ke nur an Albert O. Hirsch­man, der unse­ren Sinn für den Wech­sel zwi­schen pri­va­tem und öffent­li­chem Glück geschärft hat. Hier liegt der geschicht­li­che Gleich­klang zwi­schen dem ‚we want our coun­try back‘ der Bri­ten und der Ame­ri­ka­ner. Wer das ver­ste­hen will, könn­te bei Carl Schmitts ‚Land und Meer‘ anfangen.

Mit dem Sta­li­nis­mus ist die Idee von der All­macht des Einen an ihr Ende gekom­men. Heu­te kann jeder erfah­ren, was die­se Idee in Wirk­lich­keit bedeu­tet. Da wäre es klü­ger, auf die­je­ni­gen Stim­men zu hören, die sich die­ser Erfah­rung nicht ver­wei­gert haben. Aber wie stets in letz­ter Zeit, wenn sich ganz über­ra­schend Poli­ti­sches bemerk­bar macht, etwas aus der einen Mensch­heit, der einen Ver­nunft oder der einen Geschich­te aus­schert, steht eine ziem­lich gro­ße Men­ge schein­bar wis­sen­der Leu­te wie begos­se­ne Pudel da - das war auch 1989 nicht viel anders.

Wer gut christ­lich immer nur den ande­ren zu etwas dekla­riert, vor dem man sich nur ange­wi­dert abwen­den kann, hat nichts mehr zu strei­ten und steht mit sich allei­ne da. Dar­aus lässt sich bes­ten­falls eine Kir­che, aber kein Staat machen. Wo Kain mit Abel stritt, statt ihn zu erschla­gen, sind die Geschich­ten anders verlaufen.

Soll­ten wir uns da nicht bes­ser fra­gen, was die­se Wahl für uns bedeu­tet? Die macht­po­li­ti­schen Kon­stel­la­tio­nen haben sich merk­lich geän­dert. Dass eine Bun­des­kanz­le­rin, deren geschicht­li­che Erfah­rung aus der SED-Sozia­li­sa­ti­on stammt, Ame­ri­ka über demo­kra­ti­sche Wer­te beleh­ren möch­te, ist mehr als pein­lich, es ist dumm. Man soll­te Sie viel­leicht fra­gen, was sie denn zu tun gedenkt, wenn die bal­ti­schen Län­der sie an ihr Bei­stands­ver­spre­chen erin­nern. Sind wir schon in der Lage zu hal­ten, was aus­ein­an­der­zu­bre­chen droht? Sind die Deut­schen bereit, ihre Söh­ne für die poli­ti­sche Frei­heit der bal­ti­schen Repu­bli­ken zu opfern? Wohl kaum. Was wird dann aus dem Soli­dar­pakt, wenn die Garan­tie­in­stanz fehlt und wir den Bund nicht hal­ten können?

Der aggres­si­ve rus­si­sche Impe­ria­lis­mus ver­fügt nun über ein kla­res Zeit­fens­ter für mili­tär-stra­te­gi­sche Optio­nen, denen Euro­pa bis­lang wenig ent­ge­gen­zu­set­zen hat. Es ist eher unwahr­schein­lich, dass Putin die Gele­gen­hei­ten unge­nutzt ver­strei­chen lässt. Wenn Ame­ri­ka es leid ist, für das alte Euro­pa immer wie­der die Koh­len aus dem Feu­er zu holen, wird man sich dar­über zu strei­ten haben, was eine Ord­nungs­macht ist und wel­che Ord­nung den Erhalt lohnt.1 Mit dem Wahl­er­folg Trumps sind die Welt­frie­densträu­me des glo­ba­len Dor­fes aus­ge­träumt. Man stel­le sich nur in der ver­än­der­ten Lage eine Mar­got Käß­man als Bun­des­prä­si­den­tin vor. Wer da immer noch die Absur­di­tät nicht bemerkt, dem ist nicht mehr zu hel­fen. Die Deut­schen sind unsanft aus der ame­ri­ka­nisch gesi­cher­ten Kom­fort­zo­ne auf den Boden der Wirk­lich­keit geschleu­dert wor­den und rei­ben sich nun ver­wun­dert die Augen. Hotel Mama - das war ges­tern. Sie soll­ten jetzt schnell erwach­sen wer­den. Es wird ent­schei­dend dar­auf ankom­men, wer sich von den Illu­sio­nen lösen kann und Poli­tik wie­der an dem ori­en­tiert, was tat­säch­lich geschieht.

1 Nachtrag vom 25.11.2016. Der hervorragende Text von Herfried Münkler in der Oktoberausgabe der Zeitschrift Merkur ist mir erst jetzt bekannt geworden. Noch viel überzeugender, als ich es könnte, buchstabiert der Text mit dem Titel ‚Ordnung‘ aus, was hier nur kurz angerissen wurde.