Als am Abend des 24. Sep­tem­ber 2017 die Wäh­ler­stim­men erst hoch­ge­rech­net und spä­ter aus­ge­zählt wor­den waren, hat­te die Spit­zen­kan­di­da­tin der Uni­on, Frau Dr. Ange­la Mer­kel das schlech­tes­te CDU-Bun­des­tags­wahl­er­geb­nis seit vier­und­sech­zig Jah­ren erzielt. Ledig­lich bei der aller­ers­ten, unter erheb­lich erschwer­ten Bedin­gun­gen statt­ge­fun­de­nen Wahl von 1949 war das Ergeb­nis noch schlech­ter gewe­sen. Das Urteil der Wäh­ler war unmiss­ver­ständ­lich, aber Frau Dr. Mer­kel woll­te und konn­te es nicht verstehen.

Die SED-Ideo­lo­gie von der Ver­ach­tung des Urteils der ande­ren war ihr wohl von Beginn an mit Vater­stim­me ein­ge­trich­tert wor­den. Von der Mut­ter­milch ist noch weni­ger bekannt als vom roten Kas­ner, des­sen Ein­stel­lun­gen man im Wes­ten erstaun­lich wenig Auf­merk­sam­keit geschenkt hat, obwohl es ja nicht ganz unwich­tig sein soll, aus wel­chem Hau­se jemand stammt - zumal dann, wenn es um die Regie­rungs­ver­ant­wor­tung für ein Volk von acht­zig Mil­lio­nen geht. Ein Vater, der nach der bru­ta­len Nie­der­wal­zung des Volks­auf­stan­des von 1953 frei­wil­lig und ohne Not mit sei­ner nur weni­ge Wochen alten Toch­ter von Ham­burg in die DDR über­sie­delt, kann von Frei­heit und Rechts­staat­lich­keit wohl eher nur rudi­men­tä­re Vor­stel­lun­gen beses­sen haben.

Die SED, die kei­ne ein­zi­ge demo­kra­ti­sche Wahl für sich ent­schei­den konn­te und ohne sowje­ti­sche Pan­zer schon 1953 ver­schwun­den wäre, muss­te am Ende ihren Staats­rats­vor­sit­zen­den vor der dro­hen­den Lynch­jus­tiz in einer Pfarr­haus­man­sar­de ver­ste­cken und ihr Ver­mö­gen mit Metho­den orga­ni­sier­ter Kri­mi­na­li­tät vor dem Zugriff der­je­ni­gen in Sicher­heit brin­gen, denen es zuvor gestoh­len wor­den war. Ein nicht unbe­trächt­li­cher Teil der Gel­der war mit Men­schen­han­del erzielt wor­den, der moder­nen Fort­set­zung der Geschäf­te auf den Skla­ven­märk­ten frü­he­rer Tage. Der vier­zig Jah­re lang pro­kla­mier­te leuch­ten­de Fort­schritt hin­ter­ließ ein ver­rot­te­tes und bank­rot­tes Land, von den mensch­li­chen Ver­wüs­tun­gen, die eine kon­se­quent von der Sta­si bis in die inners­ten pri­va­ten Bin­dun­gen hin­ein betrie­be­ne Zer­set­zung zurück­ließ, ganz zu schwei­gen. Da wur­den Ehe­män­ner gegen ihre Ehe­frau­en auf­ge­hetzt, Kin­der soll­ten ihre Eltern denun­zie­ren und selbst Jahr­zehn­te alte Freund­schaf­ten erwie­sen sich im Nach­hin­ein als rei­ne Lüge, die nur ver­brann­te Erde hin­ter­ließ. Es scheint ganz so, als lege es auch die nächs­te Gene­ra­ti­on dar­auf an, die SED-Erfolgs­ge­schich­te im Zeit­raf­fer zu wiederholen.

Die ehe­dem staats­tra­gen­de CDU hat­te bei der letz­ten Bun­des­tags­wahl erheb­lich an Stim­men ein­ge­büßt. Schwin­det die Zustim­mung der Regier­ten zu den Regie­ren­den, gibt es nor­ma­ler­wei­se einen Regie­rungs­wech­sel, für den sich die Oppo­si­ti­on in der Zwi­schen­zeit vor­be­rei­tet hat. Bei feh­len­der demo­kra­ti­scher Übung hin­ge­gen wech­selt man das Spiel­feld und ver­sucht, die schwin­den­de Auto­ri­tät durch gestei­ger­te Sou­ve­rä­ni­tät wie­der aus­zu­glei­chen und zugleich dem Urteil der ande­ren die Berech­ti­gung zu entziehen.

Der Ver­such, das Wäh­ler­vo­tum zu igno­rie­ren und sich mit aus­ge­zehr­tem Per­so­nal trotz schwin­den­der demo­kra­ti­scher Legi­ti­mie­rung an der Macht zu hal­ten, stand von Anfang an unter kei­nem guten Stern. Es gibt da näm­lich ein grund­le­gen­des Dilem­ma. Soll Regie­ren durch Herr­schen ersetzt wer­den, steigt der Auf­wand der Herr­schafts­in­sze­nie­rung und -behaup­tung schnell ins Uner­meß­li­che und frisst die volks­wirt­schaft­li­che Leis­tungs­fä­hig­keit von innen auf.

Wäh­rend ein Mann wie Vik­tor Orbán schon bei sei­ner ers­ten berühm­ten Rede auf dem Buda­pes­ter Hel­den­platz von den Ver­sam­mel­ten getra­gen wur­de, muss­te Mer­kel sich die feh­len­de Zustim­mung von will­fäh­ri­gen media­len Cla­queu­ren spen­den las­sen. Die bestell­ten Jubel­ari­en kos­ten Geld. Man weckt Begehr­lich­kei­ten. Auch die pri­va­ten Medi­en, denen das Urteil der Leser die Exis­tenz gefähr­de­te, träum­ten plötz­lich davon, so luxu­ri­ös ali­men­tiert zu wer­den, wie ihre öffent­lich-recht­li­chen Kol­le­gen. Inzwi­schen erreicht auch der mit den „Flüch­ten­den“ betrie­be­ne Ablass­han­del die Sozi­al­kas­sen. Ver­nünf­ti­ge und beson­ne­ne Stim­men, die ihren Weg in die ver­öf­fent­lich­te Mei­nung fin­den, müs­sen umge­hend mit geeig­ne­ten Medi­en­kam­pa­gnen wie­der mund­tot gemacht wer­den, bevor auch nur der Ansatz einer Dis­kus­si­on ent­ste­hen könn­te. Die auf­ge­türm­ten Pro­ble­me fan­gen an, sich zu potenzieren.

Das „Über­zeu­gen-wol­len“ mutiert zum „Befeh­len-wol­len“. Der poli­ti­sche Streit unter gesetz­lich Glei­chen weicht dem Herr-Knecht-Ver­hält­nis. Der erwach­se­ne Wäh­ler wird infan­ti­li­siert und zum gehor­sa­men Unter­tan degra­diert. Da schien eine sai­so­na­le Virus­er­kran­kung wie ein Geschenk des Him­mels, um die auf wack­li­gen Bei­nen ste­hen­de Herr­schaft dau­er­haft abzu­si­chern. Ziel­si­cher hat man die chi­ne­si­sche, nicht etwa die tai­wa­ne­si­sche Lösung ergrif­fen. Was den Pfaf­fen die ewi­ge Ver­damm­nis, ist den Moder­nen die Pan­de­mie. Die neue Mas­se der „Kin­der“ soll durch Angst gelähmt wer­den und wider­spruchs­los glau­ben, was ihr von einer neo­feu­da­len polit-media­len Kas­te tag­täg­lich vor­ge­be­tet wird. Erwei­sen Sie sich als reni­tent, wird ihnen das Taschen­geld gestri­chen und Haus­ar­rest ver­fügt. Die Mas­ken­pflicht dient als Unterwerfungsgeste.

Indes: der ver­zwei­felt ergrif­fe­ne chi­ne­si­sche Stroh­halm, sich mit einer auto­ri­tä­ren Herr­schafts­in­sze­nie­rung doch noch über die Zeit zu ret­ten, konn­te nicht funk­tio­nie­ren, im Osten nicht, weil man aus Erfah­rung klü­ger gewor­den ist, im Wes­ten nicht, weil man ein anti­au­to­ri­tär gepräg­tes Milieu nicht über Nacht ein­fach umpo­len kann, und gene­rell nicht, weil die Pan­zer, die, als letz­te Mög­lich­keit, in Ost­eu­ro­pa mas­sen­haft zur Ver­fü­gung stan­den, dank der her­aus­ra­gen­den Fähig­kei­ten einer ehe­ma­li­gen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin wohl nicht ein­mal fahr­be­reit sind.

So kommt, was kom­men muss: Mer­kel schallt heu­te ent­ge­gen, was schon Hon­eckers Zeit been­det hat. Ange­la, das Volk ist da.

Publi­ziert auf: Glob­kultVera-Lengs­feld,