Mütter sind genial. Sie können nicht nur Kinder in ihrem eigenen Körper heranwachsen lassen und gebären; sie sind nicht nur in der Lage, neues Leben in unsere geriatrischen Gemeinwesen zu bringen; sie können nicht nur völlig hilflose Schreibabys in ihr eigenes Leben führen, dass diese schließlich selbst Windeln wechseln. Mütter sind bereit, Schlaf und Gewebespannung für unsere zukünftigen Genies zu verlieren. Zu all dem sind sie, neben ihrem normalen Beitrag als Frau in der Gesellschaft, fähig. Was ist der Dank? Eine Gratisschippe voller Schuldgefühle und einen Blumenstrauß an Ermahnungen und Bevormundungen.
Mutter-Bashing is opportun
Anstatt die Leistungen der Mütter zu ehren, ist Mutter-Bashing en vogue. Selbst die kleinen Kinder haben es mitbekommen und ich höre täglich in der Praxis wie kleine - zuweilen noch nicht einmal trockene - Kinder ihre Mütter öffentlich auszählen und herunterputzen. Sie erklären, auch vor anderen, welch schlechte Mutter ihre einzige und „good enough mother“ (Donald Winnicott) ist. Mutter-Bashing is opportun. Oft reagieren Mütter mit Scham und Schuldgefühlen; und lassen sich diese Entwertung von den großen und kleinen Kritikern gefallen. Mütter kennen das: Wer Mütter kritisiert und entmündigt wird gut bezahlt und ist für eine journalistische oder akademische Karriere prädestiniert. Das ist schon seit einigen Jahrzehnten so. Neu ist aber: Mütter gehen mit sich selbst und anderen Müttern heftig ins Gericht und das Zentralkomitee der perfekten Mutterschaft tagt ständig und ist dicht mit Müttern besetzt.
Liebe, Dankbarkeit, Neid
Einige von denen, die Mütter bashen, sind gleichzeitig diejenigen, die jede mögliche Gelegenheit nutzen, den Einfallsreichtum von Müttern zu stehlen. Bisher waren die Versuche, Mütter zu ersetzen, mäßig erfolgreich. Das Entwicklungsziel der Ambivalenzfähigkeit und Dankbarkeit (Melanie Klein) wird auch durch noch mehr Heil- und Sozialpädagogen in Kndergärten und Schulen nicht erreicht, wenn die Basis der Intervention das Mutter bashing ist.
Die Fähigkeiten der Mütter werden von jenen, die nie Mutterliebe erfahren haben, mit Neid betrachtet. Insbesondere der sozialistische Erziehungsstaat hält den Daumen auf die Mütter, da er die „Lufthoheit über die Kinderbetten“ (Olaf Scholz) erlangt hat. Die Botschaft der Heerscharen an Sozialarbeitern, die heute unsere Bildungseinrichtungen unterminiert haben, lassen kaum eine Gelegenheit aus, Müttern klar zu machen: „Du bist ersetzbar“. Der stärkste Mutterersatz, der sich - seit der Französischen Revolution - in das Mutterteam drängt, ist ein mächtiger Akteur mit einer starken Botschaft: Der Wohlfahrtsstaat ist die beste Mutter!
Ob ein sozialdemokratischer Parteivorsitzender und Herrscher der Lüfte auch am Bett meines fiebernden und sich übergebenden Sohnes sitzen wird, ist eher unwahrscheinlich. Die wohlfahrtsstaatliche Mutter arbeitet in Maschinensprache, bürokratisch regulativ und mit Fernsteuerung. Nichts davon braucht ein Kind. Geduld und Liebe zur kindlichen Kotze ist außerdem noch kein Staatsziel.
Kinder im freien Fall
Während der mütterliche Staat die echten Mütter ersetzen will, sprechen die Ergebnisse für sich. Die Mutter-Imitate und Mutter-Ersatzprodukte haben kläglich versagt. Anstatt aus Kindern normale und gesunde Menschen zu machen, werden diese völlig hängen gelassen. Jahr für Jahr geht es ihnen daher schlechter. Anstatt selbstkritisch das eigene Versagen zur Kenntnis zu nehmen, werden Mütter auf die schlimmste Art und Weise, die eine Mutter kennt, geschwächt. Erzieher, Lehrer und Sozialpädagogen wiegeln Kinder gegen ihre Mütter auf. Der Sozialstaat wirft sich in die Pose des Kinderschützers und Verteidigers der infantilen Rechte. In der Perspektive des Erziehungsstaates gelten Kinder als die die am wenigsten geschützte Gruppe. Daher sollten sie endlich alle Segnungen des Wohlfahrtsstaates erhalten, der sie vor - wem wohl? - den Eltern schützt. Wer in den Zeiten der Pandemiepolitik den Quarantänebescheid für das eigene Kind mit der Drohung des Kindesentzuges gelesen hat, weiss wie weit der „Schutz“ des Wohlfahrtsstaates gehen kann. Die ständige Drohung mit Kindesentzug ist die hinterhältigste Seite einer Zermürbungstaktik, die ans Eingemachte der Mütter und Väter geht. Wer diesen, oft verdeckten, Drohungen entgegentritt erlebt seltsames. Einerseits wiegeln Sozialarbeiter dann ab - Mann und Frau stehen dann blöd da und werden wie hysterisch gewordene Eltern behandelt. Andererseits kommt es ebeos oft vor, dass die pädagogische Institution oder der behandelnde Arzt im Krankenhaus Klartext redet und deutlich macht, dass Eltern - wenn es hart auf hart kommt – nichts zu melden haben.
Diese Androhung, dem starken Vater sein Kind zu entziehen, ist die Parallelaktion zur Mütterentwertung. Dem Hinweis des Staates, dem Vater könne sein Kind entzogen werden, kommt die symbolische Kastration des Mannes im Vater gleich: Ein Mann der seine eigene Brut und Frau nicht schützen kann ist kein Mann. Erinnert sich noch jemand an die Sofa-Helden der Pandemie: jene Männer, deren Heldenmut darin bestand, sich selbst und ihre Familie in vorauseilendem Gehorsam in Quarantäne zu nehmen? Das waren die glücklichen, selbst-kastrierenden Männer, die der Staat den behinderten Müttern zur Seite stellt.
Aufwachsen als Ausnahmezustand?
Kinder gegen Mütter und Eltern aufzuwiegeln zerstört die Lebensgrundlage und die Ökosphäre der Kinder, die Familie. Während Mütter auf allen Kanälen und Plattformen demontiert werden, bekommen Kinder „Rechte“, die nur - wer wohl? - der Staat garantieren kann.
Im März 2025 war in der Online-Ausgabe von „Die Welt“ die Überschrift zu lesen: „Vorstellung, Eltern könnten Ihre Kinder wirksam vertreten, kaum noch haltbar“. Das war das Zitat eines Professors dessen Lehrstuhlkombination so waghalsig klingt wie seine Forschungsergebnisse: „Erziehungs- und Migrationswissenschaft“. Der Artikel beginnt mit der Behauptung, dass Kinder eine Minderheit ohne Schutz sind, die im Ausnahmezustand des Aufwachsens leben. Wer nun, nach den Erkenntnissen der Erziehungs-, Umerziehungs- und Umzugswissenschaften, Schuld am Unverständnis-Notstand ist, liegt auf der Hand: Eltern haben sich einfach zu weit von der Realität ihrer Kinder entfernt. Ein Schalk, der fragt: Wie konnte es nur zu einer solchen Entkopplung der Lebensbereiche in einem Land kommen, das kein staatliches Erziehungsprogramm ausgelassen hat und keine Gelegenheit verpasst hat, die Ideologie der Bindungstheorie heilbringend und flächendeckend umzusetzen. Offenbar fehlt aber noch der letzte Streich beim Putschversuch des Kinderparlaments: Kinder an die Macht! Der Staat wird demnächst nicht nur die Rechte der Kinder schützen, sondern auch das neue Recht des Menschen, verstanden zu werden.
Böckenförde-Dilemma der Mutter
Die moderne Mutter scheitert an der mütterlichen Version des Böckenförde-Dilemmas. Sie lebt von Grundannahmen, die sie selbst - nicht mehr - erschaffen kann. Ihr Dilemma besteht darin, dass sie jene gemeinsamen Werte, die eine Mutter unterstützen, weder in sich, im Kind noch im gesellschaftlichen Umfeld erzeugen kann. Die Kultur, in der sich Mütter um ihre Kinder kümmern, hat sich vollkommen verändert. Kinder werden von der sozialpädagogischen Propaganda-Wissenschaft und vom Sozialstaat wie mündige Erwachsene behandelt, während die Erwachsenen wie Kinder erzogen werden. Eine Mutter soll ihr maximal abhängiges und inkompetentes Baby zu einem verantwortungsvollen, an der Realität orientiertem und interessierten Erwachsenen erziehen und zugleich einer Ideologie und Kultur zustimmen, die:
- Mütter entwertet und Kinder gegen Eltern aufwiegelt,
- schwachen Vätern die Rolle der besseren Mutter zuschiebt,
- Kinder „auf Augenhöhe“ inthronisiert und Rechte zuspricht, die nur der Staat garantieren kann,
Deshalb stellen wir zur Verteidigung der Mütter fest: Mütter werden behindert.
11. Mai 2025 um 09:49 Uhr
Lieber Herr Levin, ich bin sehr dankbar, dass Sie diese Worte an meine Frau - die großartigste Mutter meiner zwei Söhne - geschickt haben! Wie oft wurde sie für ihre „übertriebene“ Mutterliebe kritisiert und musste ihren wunderbaren „Mutterinstinkt“ verteidigen. Ganz herzliche Grüße Christoph Weidner