Wer Ori­en­tie­rungs­schwie­rig­kei­ten in der Ukrai­ne Kri­se hat, ist gut bera­ten, sich etwas genau­er mit dem Frei­heits­kampf der drei bal­ti­schen Repu­bli­ken zu beschäf­ti­gen, von denen wir Deut­sche in poli­ti­scher Hin­sicht eini­ges ler­nen könn­ten. Wer erfah­ren will, was tat­säch­lich gesche­hen ist, tut gut dar­an, auf die Geschich­ten von sol­chen zu hören, die dabei gewe­sen sind, es berich­ten und bezeu­gen kön­nen. Ana­to­li Pristaw­kin, 1931 in der Gegend von Mos­kau gebo­ren, ist eine die­ser Stim­men, er war ein rus­si­scher Schrift­stel­ler, der Ende 1953 als rus­si­scher Besat­zungs­sol­dat nach Lett­land kam, über die Jah­re das Land lie­ben gelernt hat und im Janu­ar 1991 an den ent­schei­den­den Tagen zufäl­lig in Jur­me­la weil­te, dem Ost­see­bad von Riga, etwa eine hal­be Stun­de Zug­fahrt von Riga ent­fernt. Er betei­lig­te sich direkt mit Rund­funk­an­spra­chen am Frei­heits­kampf der Let­ten gegen die von Mos­kau gelenk­ten Son­der­ein­hei­ten und kämpf­te als 60 Jäh­ri­ger auf den Bar­ri­ka­den mit. Er führ­te wäh­rend der kri­ti­schen Tage ein Tage­buch, das in einer kur­zen Abwe­sen­heit vom Hotel­zim­mer von KGB-Leu­ten ver­nich­tet wur­de. Aus den noch fri­schen Erin­ne­run­gen rekon­stru­ier­te er die­ses Tage­buch und ver­öf­fent­lich­te es. Her­aus­ge­kom­men ist ein beein­dru­cken­des Doku­ment aus der Sicht eines Rus­sen, was tat­säch­lich in jenen Tagen in Riga gesche­hen ist. Mari­an­na Buten­schön gegen­über, die eines der weni­gen deut­schen Bücher zu die­sen Frei­heits­kämp­fen geschrie­ben hat, schil­der­te er zwei Wochen nach den blu­ti­gen Ereig­nis­sen in Riga sei­ne Erfah­run­gen so: “Ich war in die­sen Tagen häu­fig auf den Bar­ri­ka­den, und ich hat­te gro­ßes Glück. Ich habe die Frei­heit wirk­lich gespürt, und des­halb wer­den die­se Tage mir bis ans Ende mei­nes Lebens hei­lig sein. Aber was mich am meis­ten beein­druckt hat: Auf den Bar­ri­ka­den wur­de nicht nach der Natio­na­li­tät gefragt und nicht nach der Reli­gi­on. Die Men­schen haben zusam­men die Frei­heit ver­tei­digt.” (Mari­an­na Buten­schön, Est­land, Lett­land, Litau­en – Das Bal­ti­kum auf dem lan­gen Weg in die Frei­heit, Mün­chen 1992, Piper, S. 195)