27.03.2013 - DIE WELT: Tilmann Krause berichtet unter dem Titel ‚Entfesselter Mob‘: „Und jetzt Til Schweiger. Der lobt den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und findet auch noch zu allem Überfluss, die heutigen Heldentaten deutscher Soldaten würden viel zu selten gewürdigt. Umgehend fackelt man das Auto seiner Freundin ab und bewirft ihr gemeinsames Haus in Hamburg mit Farbbeuteln.“
Krause erinnert auch an den ‚Shitstorm‘, der über die Schauspielerin Katja Riemann hereinbrach, weil sie in einer Talksendung die sinnfreien Belanglosigkeiten eines selbstverliebten Moderators (für die wir ja unsere Demokratieabgabe entrichten) als solche erkennbar werden lies.
Schon etwas länger zurück, aber darum nicht weniger erinnerungswürdig, liegt die Hetzkampagne gegen Thilo Sarrazin, bei der zuletzt der Historiker Hans-Ulrich Wehler, ein weithin geachteter Mann, sich bemüßigt fühlte, den Eiferern ins Gewissen zu reden - sie werden ihn kaum gehört haben. Einer der widerwärtigsten Figuren in dieser Kampagne war seinerzeit der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, ein Konvertit (der Bekenntniszwang unter diesen muss erheblich höher sein, weil der Zweifel einen biographischen Ansatz hat), der Sarrazin wegen seiner Äußerungen zum Judentum in die Nähe der nationalsozialistischen Euthanasiedebatten rückte, wohl wissend, dass bei der Assoziation von Euthanasie und Judentum hierzulande die antifaschistischen Reflexe zuschlagen und das Denken verschwindet. Wenige Tage später musste sich Herr Kramer von Chaim Noll, einem deutsch-jüdischen Schriftsteller, der in Israel lebt, vorhalten lassen, dass „ihm offenbar elementares Grundwissen über das Judentum abhanden gekommen ist.“ Aber da war die Kampagne schon in vollem Gange.
06.01.2013 - arte tv zeigte den herausragenden Dokumentarfilm „Töte zuerst“, der sich von einem ebenso herausragenden Vorbild, ‚The fog of war‘ inspirieren lies, dieser ist allerdings, des notorischen Antiamerikanismus wegen, wenig bekannt. Der Film von Dror Moreh lässt sechs ehemalige Chefs des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Beth zu Wort kommen. Schon dadurch unterbricht er die üblichen Zuordnungen zu linksradikalen Rebellenromantikern oder falsch verstandener Rücksichtnahme. Im Abschnitt ‚Unser eigen Fleisch und Blut‘ berichten zwei der Geheimdienstchefs von der Aufdeckung einer jüdischen Terrororganisation, die Bombenanschläge auf Palästinenser verübt hatte und plante, mithilfe von Semtex Sprengstoff den gesamten Felsendom in die Luft zu sprengen. Die Gruppe wollte die finale Entscheidungsschlacht (Armageddon) zwischen Recht- und Ungläubigen auszulösen. Zitat: „Eine Sprengung des Felsendoms hätte einen totalen Krieg zwischen Israel und allen islamischen Ländern auslösen können“. Drei der Täter wurden vor Gericht gestellt und zu lebenslänglich verurteilt. Die Gruppe war jedoch bestens in die Politik vernetzt. Alle, auch die lebenslänglich Verurteilten, kamen sehr schnell wieder frei - das israelische Parlament beschloss eine Amnestie und der Premierminister unterzeichnete sie. Sie kehrten in ihre alten Positionen zurück, als ob nichts gewesen wäre, einige wurden sogar befördert, so erzählt es uns der israelische Inlandsgeheimdienst. Israel, zwar ein Rechtsstaat, hat aber keine geschriebene Verfassung und so auch keinen eigentlichen Supreme Court, der über die Einhaltung derselben wachen könnte.
16.03.2013 - FAZ: In der Rubrik „Fremde Federn“, was hier mal nichts mit Plagiat zu tun hat, schreibt Robert Goldmann, ein amerikanischer Jude deutscher Herkunft, der in New York lebt, über ‚Israels vitale Demokratie‘. Anlass des Textes ist eine Wahl in Israel, in der eine relativ junge Partei genügend Stimmen erhielt, um alteingessene Parteien zu Koalitionsverhandlungen zu bewegen. Zitat: „Warum ist Israel die einzige wahre und dauerhafte Demokratie in der Region? … weil es eine zivilisierte Art des Streitens und Diskutierens ist, die Juden schon übten, bevor Moses vom Berg Sinai mit den zehn Geboten zurückkehrte, … Daher die jüdische Liebe zu dieser Regierungsform.“
Beunruhigendes Auseinanderdriften der Zeitläufte: Während in Ost-Mitteleuropa die Freunde der Gesinnungsgewißheit die verfassungsmäßig verankerte führende Rolle reihenweise abgeben mussten, hat man den Eindruck, im zivilisierten Westen verbreite sich der Tugendfuror. Aber wir haben uns ja gerade selbst den Friedennobelpreis verliehen - da können wir uns doch ganz beruhigt zurücklehnen.
Schreibe einen Kommentar