In unse­rem Land geschieht Befremd­li­ches. Wenn nicht gar Erhei­tern­des. Apo­the­ken mit dem schö­nen Namen „Zum Moh­ren“ wird die Umbe­nen­nung nahe­ge­legt. Der Name sei ras­sis­tisch. Ras­sis­mus ist Abwer­tung und Aus­gren­zung von Men­schen­grup­pen „ande­rer“ äuße­rer Erschei­nung. Eifern­de Anti-Ras­sis­ten und Prot­ago­nis­ten der Umbe­nen­nung zei­gen ein bedau­erns­wer­tes Maß an his­to­ri­scher Kennt­nis­lo­sig­keit. Hier betref­fend: das „Mohr“-Symbol. Abwer­tung? Der „Mohr“, im Kon­text von Hei­lung, ist ein­deu­tig posi­tiv besetzt.

Aber wenn der Mohr weg muss: war­um dann nicht auch gleich wei­ter rei­ni­gen und säu­bern? Das hat Tra­di­ti­on in unse­rem Land. Äch­tet das heu­ti­ge „Ein­satz­kom­man­do“! Es hat eine mör­de­risch ras­sis­ti­sche Ver­gan­gen­heit. Ver­brennt alle Karl-May-Aus­ga­ben: Ras­sist, säch­sisch! Schleift unse­re Bur­gen und Schlös­ser! Feu­dal­her­ren waren nicht sel­ten „ras­sis­ti­sche“ Anfüh­rer von Krie­gen gegen anders Aus­se­hen­de. Und fräst die „ras­sis­ti­schen“ Haken­kreu­ze weg, auf deut­schen Kirchenglocken…etc. etc.

Weg­frä­sen, Abrei­ßen, Namens­än­de­rung? Man muss Geschich­te, zunächst ein­mal die eige­ne, ertra­gen kön­nen. Nicht geden­kend und kranz­nie­der­le­gend. Son­dern begrei­fend und erkennend.

Zur„Israelkritik“. Eine wei­te­re Büh­ne der „Rassismus“-Verdammung. Es gibt etwa 200 Staa­ten in der Welt. An vie­len Staa­ten wird Kri­tik geübt. Russ­land, Tür­kei, Chi­na: nie­mand stört sich an kri­ti­schen Kom­men­ta­ren. Gibt es eine ein­ge­spielt fest­ge­zurr­te „Chi­na­kri­tik“? Isra­el jedoch: immer erst ein­mal „Isra­el­kri­tik“. Unge­hö­rig, unge­zo­gen, unmo­ra­lisch. Nun die Ver­stär­kung: mit­tels des pene­trant betu­li­chen Rassismus-Anwurfs.

Er zielt auch auf den demo­kra­tisch fun­dier­ten Pro­test gegen die offen­sicht­lich wider­recht­li­che Besatzungs(romantisierend: „Siedlungs“)-Politik des Staa­tes Isra­el. Nur vom demo­kra­ti­schen Pro­test ist hier die Rede. So ver­wei­sen amnes­ty inter­na­tio­nal, tref­fend, auf “Insti­tu­tio­na­li­sier­te Dis­kri­mi­nie­rung“, und die paläs­ti­nen­si­sche Grup­pe adda­meer, eben­so tref­fend, auf den „Sett­ler Colonialism“.

Der demo­kra­ti­sche Pro­test gegen die Poli­tik des Staa­tes Isra­el wird häu­fig als „anti­se­mi­tisch“ bezeich­net. Eine schwer­wie­gen­de Ankla­ge. Anti­se­mi­tisch ist nichts ande­res als anti-jüdisch. Der pseu­do-wis­sen­schaft­li­sche Begriff „Anti-Semi­tis­mus“ stammt aus der Zeit des Bis­marck­schen Deut­schen Rei­ches, um 1880; er soll­te die bür­ger­lich-tra­di­tio­na­le – stets hoch-idea­lis­tisch geschmück­te -anti­jü­di­sche Aus­gren­zung salon­fä­hig machen.

Jüdisch-demo­kra­tisch. So nennt sich der Staat Isra­el. Ein deut­scher Staat hat sich „volks-demo­kra­tisch“ (also dop­pelt volks-bestimmt) genannt. Wozu die­se Qua­li­fi­zie­run­gen? Wozu muss Demo­kra­tie ein­ge­engt wer­den? Weil so Kri­tik, von außen, im Namen all­ge­mein aner­kann­ter Men­schen­rech­te, leicht­hin und pathe­tisch abge­tan wer­den kann: denn sie geht, im Fall Isra­el, auf das Spe­zi­fi­kum „Jüdisch“ nicht ein.

Die Gene­ral­vo­ka­bel „Jüdisch“ macht den Staat Isra­el unan­greif­bar. Von daher: wer den Staat Isra­el in Fra­ge stellt, atta­ckiert „die Juden“. Sie­he das Mär­chen vom Hasen und vom Igel. Der Igel ist immer schon da. Der Hase – näm­lich die demo­kra­ti­sche Anfra­ge – kann nur verlieren.

Die von unse­ren Medi­en gepfleg­te Igel­po­si­ti­on zeigt sich – man muss genau­er hin­se­hen – in der Schlag­zei­le einer deut­schen Zei­tung: „Gegen jeden Anti­se­mi­tis­mus – Soli­da­ri­tät mit Isra­el“. Man beach­te: „jeden“. Impli­ziert: Isra­el­kri­tik ist anti-jüdisch, aprio­ri. Hase erle­digt, Kri­tik am Boden.

Was ist „Jüdisch“? Eth­nie? Reli­gi­on? Recht unschar­fe Kate­go­rien. Defi­ni­tio­nen feh­len. Es wird mit Para­de­wör­tern wie Hei­li­ges Land, König David, Aus­er­wählt­sein etc. ope­riert. Aber Staats­bür­ger Isra­els sind Israe­lis. Soll­te im Pass etwas ande­res ste­hen? Es gibt eine hohe Anzahl von Paläs­ti­nen­sern: sind die kei­ne Israe­lis? Wenn ich nach Isra­el rei­se: besu­che ich da „mei­ne Juden“ oder „mei­ne Israelis“?

Isra­el­kri­tik unter­liegt dem gewerbs­mä­ßi­gen „Ja-aber“-Verdikt. Der deut­sche Regie­rungs­spre­cher, kürz­lich: „Fried­li­che Demons­tra­tio­nen gegen die Poli­tik Isra­els sind in Deutsch­land mög­lich.“ Ja, ist es denn wahr. Nun wei­ter Spre­cher: A b e r sie müs­sen die­se und jene Bedin­gung erfül­len. Muss die Bedin­gungs­schrau­be immer wie­der - und wie­der und wie­der und, Gott behü­te, bis in alle Ewig­keit - aufs Neue ange­zo­gen wer­den? Gibt es die Bedin­gungs­schrau­be für irgend­ein ande­res Land? Man nen­ne es.

„Die Sicher­heit der Juden in Deutsch­land ist Staats­bür­ger­pflicht“: For­de­rung einer füh­ren­den deut­schen Zei­tung. Das ist die „deut­sche Staats­rä­son“, ver­ord­net, nichts weni­ger als Bis­mar­ckisch majes­tä­tisch, von der Kanz­le­rin. Haben wir jemals, in der Geschich­te der BRD, in irgend einer Sache, etwas von hoch­tra­ben­der Staats­rä­son gehört?

Staats­rä­son, prag­ma­ti­siert. Wenn ich, als Kapi­tän des See­not­kreu­zers „Staats­rä­son“, drei Men­schen in Not sehe, und kei­ner schwenkt die Isra­el­flag­ge, fra­ge ich da: „Hal­lo, hier Staats­rä­son, wer von Ihnen ist Jude? Ich bin Staats­bür­ger, zustän­dig für Ihre Sicher­heit, hier ist Ihr Rettungsring.“

Nein, den Ret­tungs­ring kriegt d e r Mensch (m/w/d), wel­cher dem Ertrin­ken am nächs­ten ist. Das ist down-to-earth Mit­mensch­lich­keit. Die ist unteilbar.

Nach­trag vom 03.06.: Die Grü­ne Jugend for­dert die Umbe­nen­nung eines Ortes in SH: Negern­bö­tel. Der Namens­be­stand­teil Neger kön­ne als “ras­sis­tisch” ver­stan­den wer­den. – Wie ist ein sol­cher Fehl­griff mög­lich? Die Rea­li­tät: Platt­deutsch. Nah, neger, neegs­te – nah, näher, nächs­te. Die­ses Bötel (Büt­tel) liegt also – mit Bezug auf einen drit­ten Ort – näher als ein ande­res Bötel. – Was sich im tugend­haft “anti­ras­sis­ti­schen” Vor­stoß der Gr. J. offen­bart, ist nicht weit ent­fernt vom tra­di­tio­na­len deutsch-idea­lis­ti­schen Rein­heits­drang. Sprach­for­scher Wil­helm Grimm, 1847: “rei­ne deut­sche Spra­che, Aus­mer­zung von Unkraut und Unge­zie­fer”. All­deut­scher Ver­band, 1917: “Reichs­sprach­amt für die Rei­ni­gung unse­rer Spra­che”. Bücher­ver­bren­nung, 1933: “rei­ner Aus­druck deut­schen Volks­tums”. – Den Grü­nen, wenn sie wei­ter­hin Bestand haben wol­len, wäre eine Poli­tik des demo­kra­ti­schen Prag­ma­tis­mus, nicht aber des auf­dring­lich her­ge­hol­ten Mora­lis­mus zu empfehlen.