Über­all im Land, vor allem in den Städ­ten, und häu­fi­ger im Wes­ten als im Osten lau­fen der­zeit Men­schen zusam­men, ver­sam­meln sich auf öffent­li­chen Foren und set­zen, meist mit gro­ßer media­ler Unter­stüt­zung, ein Zei­chen – ein Zei­chen für Welt­of­fen­heit, für Tole­ranz, gegen Ras­sis­mus, gegen Frem­den­feind­lich­keit, kurz für das Gute schlecht­hin in all sei­nen erdenk­li­chen Ent­fal­tun­gen. Das ‚für etwas‘ scheint ver­gleichs­wei­se aus­tausch­bar, ent­schei­den­der scheint mir die Fra­ge: ein Zei­chen - für wen? An wen rich­tet sich die­ses Zei­chen und was bedeu­ten - poli­tisch gese­hen - die­se Versammlungen?

In einem Euro­pa, in dem der Staat ‚im Gegen­satz zu ande­ren Gemein­we­sen selbst in sei­ner säku­lars­ten Vari­an­te reli­giö­sen Cha­rak­ter hat‘ (Wolf­gang Rein­hard) lie­fert Bre­men in die­sen Tagen ein beson­ders lehr­rei­ches Bei­spiel für eine Poli­tik, die kei­ne sein kann und kei­ne sein will. Sie ant­wor­tet auf die Kri­se nach gewohn­tem - sprich christ­li­chem – Mus­ter und ver­schärft sie dadurch nur. Der ers­te Bür­ger­meis­ter der Stadt, Prä­si­dent des Senats, Sena­tor für kirch­li­che Ange­le­gen­hei­ten und Mit­glied der Bre­mi­schen Evan­ge­li­schen Kir­che ruft - und alle kom­men. Unter dem Mot­to ‚Bre­men tut was‘ ver­fal­len sämt­li­che insti­tu­tio­nel­len Ver­tre­ter von Par­tei­en, Kir­chen-, Gewerk­schafts-, Wirt­schafts- und ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen dem Lock­ruf des Guten und las­sen sich vom Lan­des­va­ter (pater fami­li­as) zusam­men­trom­meln. Wer sich die­sem Ruf ver­wei­gert, schließt sich selbst aus der Gemein­schaft aus und kann nicht zum gemein­sa­men Haus gehö­ren – das wirkt, zumal es an die Zeit der Kon­fes­si­ons­krie­ge erin­nert, in denen der Lan­des­fürst von sei­nen Kin­dern nicht nur Geset­zes­treue ver­lang­te, son­dern auch die rich­ti­ge Gesin­nung vor­schrieb, eine Staats­kir­che, die als ‚Cui­us regio, eius reli­gio‘ (wes­sen Gebiet, des­sen Reli­gi­on) bekannt wurde.

Der auf­fäl­ligs­te Wider­spruch: poli­tisch gespro­chen tut Bre­men rein gar nichts. Tat­säch­lich ent­hält die Initia­ti­ve ‚Bre­men tut was‘ kei­ner­lei Anfang, kein ein­zi­ger der nicht gera­de weni­gen Kon­flikt­be­rei­che der Stadt wird auch nur streit­bar debat­tiert, geschwei­ge denn irgend­wie ange­fasst oder neu­deutsch einer ‚Pro­blem­lö­sung‘ zuge­führt. Von einer ‚vita acti­va‘ aus gese­hen erscheint die­ses ‚ein Zei­chen set­zen‘ nicht ein­mal con­tem­pla­tiv, son­dern rein pas­siv – man möch­te sich erst gänz­lich aus­lee­ren und dann etwas emp­fan­gen. ‚Bre­men tut was‘ heißt tat­säch­lich nur: Man ver­sam­melt sich auf einem öffent­li­chen Forum, hält Schil­der in die Höhe mit Sprü­chen wie ‚Bre­men ist bunt‘ und geht, berauscht von sich selbst und irgend­wie beglückt und fro­hen Her­zens wie­der nach Hau­se. Weder stört, noch besorgt es die­se ‚Bür­ger‘, daß sich durch die­se ‚Tat‘ an den Pro­blem­zo­nen der Stadt wie z.B. eth­ni­schen Kolo­nien nicht das gerings­te geän­dert hat, obwohl die Zustän­de in Pari­ser Vor­städ­ten eine Ahnung davon lie­fern, was in nicht all­zu fer­ner Zukunft auch auf Bre­men zukom­men könn­te und es längst auch hier­zu­lan­de Stadt­be­rei­che gibt, die von Ord­nungs­hü­tern nicht mehr betre­ten wer­den, weil sich dort ande­re, gewalt­sa­me­re Ord­nun­gen aus­ge­brei­tet haben. Die all­ge­mei­ne Hörig­keit die­ses Spek­ta­kels erin­nert viel­mehr an das Mär­chen von des Kai­sers neu­en Klei­dern. Man muss Kind sein, um zu bemer­ken, dass ‚Bre­men tut was‘ gar nichts tut, außer sich, poli­tisch gespro­chen, selbst zu betrü­gen. Die offi­zi­el­le ‚Leit­kul­tur‘ ist dazu längst nicht mehr in der Lage. Der Bür­ger­meis­ter reibt sich die Hän­de in Unschuld, ent­geht er doch so der poli­ti­schen Ver­pflich­tung, Rechen­schaft able­gen zu müs­sen für das, was er in der letz­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode tat­säch­lich getan hat – aber natür­lich steht mehr auf dem Spiel als blo­ßes Wahlkampfgetöse.

Die zwei­te Auf­fäl­lig­keit betrifft die eigent­li­chen Bot­schaf­ten, sind wir doch gewohnt, in dem, was zwi­schen Sen­der und Emp­fän­ger als Zei­chen getauscht wird, irgend­ei­nen Sinn­wert zu fin­den und stel­len hier über­rascht fest: es gibt kei­nen, zumin­dest nicht auf den ers­ten Blick. Jeder, der auch nur anfängt, sol­che ja recht kur­zen und wenig kom­ple­xen Sprü­che wie ‚Bre­men ist bunt‘ oder ‚der Islam gehört zu Deutsch­land‘ nach ihrem tie­fe­ren Sinn zu befra­gen, muss umge­hend schei­tern – es gibt kei­nen, weder geo­gra­phisch, noch poli­tisch, noch kul­tu­rell, noch in einem ande­ren welt­li­chen Bedeu­tungs­kon­text. Das ‚Ein Zei­chen set­zen‘ redet gar nicht, es wen­det sich über­haupt nicht an die ande­ren, wes­we­gen deren gelehr­te Ant­wor­ten, die natür­lich ohne gro­ße Mühe den Unsinn sol­cher Sprü­che wie ‚der Islam gehört zu Deutsch­land‘ sach­kun­dig ent­fal­ten kön­nen, an der Sache vor­bei zie­len – es han­delt sich hier nicht um eine Kom­mu­ni­ka­ti­on in gewohn­tem Sin­ne, son­dern eher um so etwas wie eine christ­li­che ‚com­mu­nio‘. Das ‚Ein Zei­chen set­zen‘ ist tat­säch­lich ganz buch­stäb­lich nur EIN Zei­chen, für jeg­li­che mensch­li­che Rede aber, oder gar den Beginn eines Gesprächs, wäre nur ein ein­zi­ges Zei­chen eine recht arm­se­li­ge und lang­wei­li­ge Ver­an­stal­tung. Was aber ist dann der Sinn die­ser Sprü­che, wenn er weder im Bedeu­tungs­ge­halt des Gesag­ten liegt, noch sich an Mit­men­schen richtet?

Das ‚Ein Zei­chen set­zen‘ will nicht spre­chen, son­dern zei­gen und wen­det sich dazu von den ande­ren und einer gemein­sam mit ande­ren geteil­ten Welt ab. Obwohl die ‚Ein-Zei­chen-Set­zer‘ auf dem Markt­platz der Stadt zusam­men­lau­fen, han­delt es sich nicht um eine poli­ti­sche Ver­samm­lung – der Markt­platz ist in die­ser Lage kei­ne ago­ra, son­dern ein ganz ande­rer Ort. Sofern ein poli­ti­scher Raum durch ein Gesetz ein­ge­räumt wird, das Men­schen, die auf­ein­an­der ange­wie­sen sind (Sterb­li­che) in Bezug zuein­an­der setzt, han­delt es sich bei dem Ort der ‚Ein-Zei­chen-Set­zer‘ um einen ande­ren Ort, einen vom poli­ti­schen Gesetz her gese­hen, aus­ge­setz­ten. Die ‚Ein-Zei­chen-Set­zer‘ tra­gen als Aus­ge­setz­te die­se Wüs­te in sich und neh­men sie über­all mit hin. An die­sem Ort der Aus­set­zung scheint das eine Zei­chen ein Erken­nungs­zei­chen zu sein, so etwas wie ein posi­ti­ves Kains­mal, ein magi­sches Unter­schei­dungs­zei­chen für den ima­gi­nä­ren Gerichts­hof zu sein, damit er die Aus­er­wähl­ten von den Nicht-Erwähl­ten abson­dern kann. In einer augus­ti­ni­schen Ges­te bie­ten sich die ‚Ein-Zei­chen-set­zen­den‘ die­sem Blick dar – sie set­zen sich einem unpo­li­ti­schen Gesetz aus, das als ‚mosai­sche Unter­schei­dung‘ (Jan Ass­mann) bekannt wur­de - pro­tes­tan­tisch gese­hen hof­fen sie, der in eins fal­len­den Sün­de und Schan­de wegen, zusam­men und öffent­lich, auf einen Akt der Gna­de, was bedeu­tet, dass es sich im auf­ge­klär­ten Zeit­al­ter tat­säch­lich um eine rein christ­li­che Ver­an­stal­tung han­delt. Von daher könn­te man die ‚Ein Zei­chen-Set­zer‘ auch als neo-kathar­ti­sche Bewe­gung bezeich­nen, die sich von dem Bösen der Welt abwen­den und ihr Heil in der tran­szen­den­ten Ver­an­ke­rung suchen. Gin­ge es um Wer­te, könn­te man dar­über ja noch strei­ten, aber hier geht es um Rein­heit. Nur ein gänz­lich Wil­len­lo­ser, der gar nichts mehr tut und erst dadurch völ­lig Ent­leer­ter und Gerei­nig­ter kann sich dem Emp­fang einer uner­gründ­li­chen Gna­de aus­set­zen, wes­we­gen alles auch nur poten­ti­ell Unrei­ne weit fern­ge­hal­ten wer­den muss. Die Lei­den­schaft des ‚gegen etwas‘ schafft dafür die wei­test mög­li­che Distanz. Der öffent­li­che Raum, in einer poli­ti­schen Raum­ord­nung ein Forum des begeg­nen­den Gesprächs, wird von den ‚Ein Zei­chen Set­zen­den‘ zum exklu­si­ven Innen­raum einer Kir­che umge­stal­tet, in dem sie Schutz, wenn nicht gar Asyl vor einer beängs­ti­gend insta­bi­len Wirk­lich­keit suchen, was zu einem betrüb­li­chen Befund führt. Das Land, das davon träum­te, nach der dop­pel­ten tota­li­tä­ren Erfah­rung eine rei­fe west­li­che Demo­kra­tie wie die ande­ren wer­den zu kön­nen, wacht über­rascht auf und muss ent­täuscht fest­stel­len: es ist doch wie­der nur eine Staats­kir­che gewor­den. Man ver­sam­melt sich nicht, um die öffent­li­chen Ange­le­gen­hei­ten zu bere­den, man trifft sich, um sich selbst und Gott zu gefal­len. Der reak­tiv-autis­ti­sche und in gewis­sem Sin­ne pri­mi­ti­ve Zug sol­cher Sek­ten­be­we­gun­gen ist längst über­zeu­gend dar­ge­legt wor­den (Mary Dou­glas, Rene Girard). Er erscheint vor allem dort, wo der inne­re Zusam­men­halt äußerst labil ist und man­gels insti­tu­tio­nel­ler Ver­an­ke­rung leicht aus dem Gleich­ge­wicht gerät. Was die Sek­te der gerei­nig­ten Guten poli­tisch so gefähr­lich macht, ist die an das magi­sche Zei­chen geknüpf­te dop­pel­te Ges­te der Entsagung/Entmächtigung – sie ent­sa­gen allem Urtei­len, um es an einen ein­zi­gen fer­nen Punkt, den Gerichts­hof des Aller­höchs­ten zu über­tra­gen und sie ent­mäch­ti­gen sich selbst, da man sich bei jeg­li­chem Han­deln nur die Fin­ger schmut­zig machen wür­de. Der Lauf der tat­säch­li­chen Welt wird sich selbst über­las­sen, um sich für eine himm­li­sche zu öff­nen. Es soll­te daher alle ande­ren besor­gen, dass nicht nur Bre­men mit die­sem sozi­al­hy­gie­ni­schen Ansatz der Selbst-Rei­ni­gun­g/­Selbst-Hei­li­gung die poli­ti­sche Lek­ti­on sei­ner Geschich­te noch längst nicht ver­stan­den hat und in extre­mer Unrei­fe erstarrt. In der blo­ßen Umkeh­rung der Logik der Rei­ni­gung bleibt der Rah­men intakt. Ist es nicht ein bemer­kens­wer­tes Zei­chen der gegen­wär­ti­gen Unru­he, das die Erre­gungs­wel­len, bei denen es im Kern um eine Stig­ma­ti­sie­rung des Bösen geht, an Häu­fig­keit und Inten­si­tät zuneh­men? Ist die Orga­ni­sa­ti­ons­form einer Gesin­nungs­ge­mein­schaft eine ange­mes­se­ne Ant­wort auf poli­ti­sche Her­aus­for­de­run­gen oder längst sinn­ent­leer­ter Flucht­re­flex? „Wenn die latei­ni­sche Kir­che der ers­te Staat war, dann ist der euro­päi­sche Staat viel­leicht die letz­te Kir­che – gewe­sen.“ (Wolf­gang Rein­hard). An dem ‚viel­leicht … gewe­sen‘ wird sich Euro­pas und damit auch Deutsch­lands Schick­sal entscheiden.

Doch für die Kon­fron­ta­ti­on mit sei­nem Geschick scheint Deutsch­land gegen­wär­tig in einer beson­ders schlech­ten Ver­fas­sung zu sein, sind doch wesent­li­che Vor­aus­set­zun­gen für ein ‚inter­ge­ne­ra­tio­nel­les Ler­nen‘ eben­falls außer Kraft gesetzt. Besorg­nis­er­re­gend vie­le aus der Gene­ra­ti­on derer, die jetzt all­mäh­lich alt wer­den und die in jun­gen Jah­ren mit dem, was nie hät­te gesche­hen dür­fen, mehr oder weni­ger über­fall­ar­tig kon­fron­tiert wur­den, ver­har­ren immer noch in einer Art von Schock­star­re auf dem Niveau ihrer jun­gen Jah­re, ver­stei­fen sich bis ins hohe Alter in den Hal­tun­gen ihrer Puber­tät. Der Schock ist so groß, dass es ihnen die Spra­che ver­schla­gen hat. Sie kom­mu­ni­zie­ren, aber sie spre­chen nicht mehr. Der Bruch ist so radi­kal, dass er sie abtrennt von der Spra­che und dem Spiel ihrer Kind­heit. Fort­an wird alles, von dem sie her­kom­men, der Grund des Ver­häng­nis­ses gewe­sen sein, wodurch das Fest­hal­ten am Bruch zum ein­zig Halt­ge­ben­den wird. Ver­trie­ben aus allen Quel­len des Gemein­sinns flie­hen sie und suchen Asyl in der hei­mat­lo­sen Phan­ta­sie der Gleich­ge­sinn­ten. Aus­ge­setzt aus Zeit und Raum irren Sie in der Lee­re umher. Im Flücht­ling erken­nen sie sich selbst. Der ein­zi­ge Halt, den sie fin­den, ist ein sprach­lo­ses Zei­chen, dem sie die Erwählt­heit anver­trau­en. Sie set­zen so den Rei­fungs­pro­zess nicht nur von sich selbst, son­dern auch den der fol­gen­den Gene­ra­tio­nen auf’s Spiel. Für die nach­wach­sen­de jun­ge Gene­ra­ti­on kön­nen sie in die­sem Zustand weder ein aus­hal­ten­des Gegen­über, noch einen ver­läß­li­chen Halt abge­ben – so suchen bei­de Gene­ra­tio­nen vor der bedrän­gen­den Wirk­lich­keit Schutz in einem ima­gi­nä­ren Raum der Kir­che, statt sich durch unter­schied­li­che Ant­wor­ten auf das, was ent­ge­gen­kommt, an den Tat­sa­chen und anein­an­der zu hal­ten und der Frei­heit der Ant­wor­ten Raum zu lassen.

Je nach­dem, aus wel­chen Quel­len geschöpft wird, gibt es ver­schie­de­ne Wege in ver­schie­de­ne ‚Moder­nen‘. Selbst inner­halb Euro­pas unter­schei­det sich ein von Fran­ken­reich und Papst­kir­che gepräg­tes Zen­trum deut­lich von sei­ner Peri­phe­rie. Der im Ver­gleich zu allen ande­ren Kul­tu­ren bemer­kens­wer­te Son­der­weg Kern­eu­ro­pas wird erst all­mäh­lich sicht­ba­rer (Micha­el Mit­ter­au­er). Poli­tisch gese­hen macht es einen Unter­schied, was dem Ande­ren dar­ge­bo­ten wird: ein in der euro­päi­schen Tra­di­ti­on der Sou­ve­rä­ni­tät von allen Bin­dun­gen getrenn­tes abso­lu­tum, das sich als von allem Leben­di­gem gerei­nig­tes und erstarr­tes „Selbst“ dar­bie­tet, oder eine ‚poli­ti­cal nati­on under god‘, wel­che die Ver­fasst­heit ihres Gemein­we­sens, ihren gegen­wär­ti­gen Zustand den Her­aus­for­de­run­gen aus­set­zend, den ‚Augen der Welt‘ zeigt und ihr Schiff gemein­sam zwi­schen Skyl­la und Cha­ryb­dis hin­durch laviert. Die Brü­der im Geis­te sor­gen sich um die Rein­heit ihrer Gesin­nung, ihre Lei­den­schaf­ten rich­ten sich daher stets auf die Abweich­ler, die geop­fert, ver­nich­tet und aus­ge­sto­ßen wer­den müs­sen. Um die Chan­cen der weni­gen Erwähl­ten zu erhö­hen, bedeu­tet ihre Ges­te not­wen­dig Spal­tung. Die Soli­dar­ge­mein­schaft aber sorgt sich dar­um, dass ihr Schiff nicht unter­geht - sie ahnt, dass in stür­misch-gefähr­li­chen Zei­ten jede Hand gebraucht wird.
Ein jeg­li­cher Ansatz zu einer poli­ti­schen Debat­te schlägt hier­zu­lan­de prompt in einen ortho­do­xen Mora­lis­mus des Guten um, der sich – in einem zeit­lo­sen Leer­lauf ritua­li­siert - dar­in erschöpft, das ‚Böse‘ zu ent­lar­ven. Ein sol­cher Zustand kann auf Dau­er unmög­lich gesund sein, zumal er nur einer zuneh­men­den Ideo­lo­gi­sie­rung und Rea­li­täts­flucht Vor­schub leis­tet und die Sta­bi­li­tät des Gemein­we­sens ver­spielt. Es könn­te daher Sinn machen, den deut­schen reak­ti­ven ‚Ein-Zei­chen-set­zen‘ Kult mit dem ein­ge­rich­te­ten, alle fünf Jah­re statt­fin­den­den Kult des est­ni­schen Lie­der­fes­tes in einen his­to­risch-poli­ti­schen Bezug zu set­zen und auf den Unter­schied zwi­schen Ver­fasst­heit und Rein­heit zu achten.