Deut­sche Medi­en berich­ten täg­lich über das deut­sche Ein-Zei­chen-Set­zen. Berich­te sind weit­hin zustim­mend; nicht sel­ten bei Über­schrei­tung der Gren­ze zwi­schen Bericht und Meinung.

Zei­chen set­zen, auch Flag­ge zei­gen, heißt Ein­satz für die den Deut­schen von maß­ge­ben­den Stel­len des Staa­tes anemp­foh­le­ne Basis­mo­ral: Staats­mo­ral. Name: Wir-dür­fen-kei­ne-Nazis-sein. Die Nazis sind das Böse. Wir zei­gen uns dem Herrn, damit er am Ende über uns urtei­len wird. Wir sind die Guten. Wir las­sen urtei­len, aber wir urtei­len nicht selbst. Wir sind Kin­der und wol­len es blei­ben - im Haus des Herrn.

Staats­mo­ral: Nega­tiv­mo­ral, deutsch. Wir pfle­gen unse­ren Staat, unse­re Gesell­schaft, unmit­tel­bar, auf dem Grun­de der Ver­nei­nung des Bösen.

Die Nega­tiv­mo­ral, das Kein-Nazi-Sein, zeigt sich, in der Spra­che des Ein­zei­chen­set­zens, als: Bunt­heit und Viel­falt, Erleb­nis, Tole­ranz, Mit­ein­an­der, Berei­che­rung; als: Grenz-Über­schrei­tung, Welt-Offen­heit, Welt-Ver­än­de­rung. Auch: Anstand, Auf­stand der Anstän­di­gen, Widerstand.

Als Nazis wer­den vor­ge­führt: die Rech­ten. Die Popu­lis­ten, Ras­sis­ten, Faschis­ten. Brau­nes Pack, brau­ner Sumpf, brau­ne Hor­den, brau­ner Mob. Kenn­zei­chen der Nazis, aus Sicht der Staats­mo­ral und des Zei­chen­set­zens: Hass und Het­ze; Ras­sis­mus, Aus­gren­zung, Frem­den­hass, Menschenverachtung.

Das Böse ist hier. Auf­fäl­li­ges Merk­mal der Staats­mo­ral: deut­sche Rech­te, heu­te, in Zei­chen­set­zer­per­spek­ti­ve, sind die Nazis, sind die Faschis­ten. Unmit­tel­bar. Rechts-Sein ist Nazi-Sein. Wir leben in Nazi-Deutsch­land. Die Nazis sind unter uns. Brand­stif­ter, has­send, het­zend, braun, ras­sis­tisch. NS-Gau­lei­ter, KZ-Scher­gen, SS-Ober­sturm­bann­füh­rer. Pei­ni­ger der Deut­schen; hier, heu­te. Pei­ni­ger über­win­den? Da müs­sen wir gut sein: fröh­lich, bunt, erleb­nis­be­reit, welt­of­fen, grenz­of­fen, berei­chernd. Som­mer­mär­chen, 2006; Migra­ti­on, seit 2014; See­not­ret­tung (See­not? Ret­tung?), 2020. Das ist die Nazi-getrie­be­ne, vom Bösen her bestimm­te - nega­ti­ve, abge­lei­te­te, sekun­dä­re - deut­sche Staats­mo­ral: Sollbuch-Moral.

Die Frei­spre­chung der Deut­schen mit­tels der Nazis. Die Nazi­ge­trie­be­ne Soll­buch­mo­ral zehrt vom ver­ding­lich­ten Trio des Schre­ckens: NS/KZ/SS. Heu­ti­ge „Erin­ne­rung“? Erkennt­nis­los. Heu­ti­ges „Geden­ken“? Sakra­li­siert, zere­mo­nia­li­siert. „Ter­ror­stät­ten des NS-Regimes“? Ter­ror­stät­ten der Deut­schen. Aber das „Mensch­heits­ver­bre­chen“! Groß­to­pos des Zei­chen­set­zens. „Mensch­heit“: Frei­spre­chung der Deut­schen. Staats­mo­ral: Aller­welts­mensch­heit, tou­ris­tisch, locker geschichts­fern. Die Nazis machen es mög­lich. Nazis: Erleb­nis und Schau­der. Böse, geschichts­los, gesichts­los, ver­harm­lost. Ein­ge­fal­len, 1933, von irgend­wo­her, in Deutsch­land; ver­schwun­den, 1945, irgend­wo­hin. Mit deut­scher Kul­tur haben die nichts zu tun.

Deut­sche Kul­tur, damals, ist das in offe­ne Gewalt umschla­gen­de, seit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on von west­li­cher Zivi­li­sa­ti­on sich „abson­dern­de“ (Fried­rich Schil­ler) idea­li­sche deut­sche Men­schen­tum: Rein­heit, Volk und Sitt­lich­keit; gegen Mate­ria­lis­mus, Schmutz, Dreck, Ekel, Bazil­len und Unsitt­lich­keit. Von daher, am Ende: Auf­räu­men, Fort­schaf­fen, Aus­rot­ten, Ver­nich­ten. Im Namen einer erz­deut­schen „Befreiungs“-Bewegung namens „Natio­na­ler Sozia­lis­mus“. Weit­hin unter akti­ver Mit­ar­beit, nicht in blo­ßer „Ver­stri­ckung“, deut­scher Gesell­schaft: gehei­ligt als „Volk“.

Aber Geschich­te wie­der­holt sich nicht. Die Nazis leben nicht mehr. Der Auf­stand der Zei­chen­set­zer geht fehl. Die Anstän­di­gen irren. „Auf­marsch der Rech­ten“ in Deutsch­land, heu­te, ist nicht Nazi-Auf­marsch. „Nazi“: ein besetzter, ein his­to­risch gebun­de­ner Begriff. Wir leben nicht im Groß­deut­schen Reich. Wir leben in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Wir leben in deut­scher Eigen­heit; so wie Nie­der­län­der in nie­der­län­di­scher, Polen aber in pol­ni­scher Eigen­heit leben. Wir leben inner­halb deut­scher Gren­zen, deut­scher Gesetz­lich­keit, deut­scher Zivi­li­tät; civis: der Bürger.

Deut­sche Eigen­heit wird belas­tet, das ist rich­tig, von heu­ti­ger Volks-Ideo­lo­gie: das deut­sche Volk als rei­ne Ein­heit. Roman­tisch, sich abschot­tend; in der völ­ki­schen Wagen­burg. Hier, heu­te, Pro­test ein­le­gen: das soll­te das Ziel deut­schen Zei­chen­set­zens sein. Alle deut­schen Nach­barn haben ihre Völ­ki­schen. So etwa DK, PL, F, NL. Deutsch­land: völ­kisch umzin­gelt. Das heißt aber nicht: von Nazis umzin­gelt. Wer heu­te, staats­un­ter­stützt, die „Nazis“ am Werk sieht, neigt zur Ver­harm­lo­sung ver­gan­ge­ner deut­scher Aus­rot­tungs­kul­tur: NS/KZ/SS.

Der wah­re Bezugs­punkt der Demo­kra­tie. Der Hin­weis auf Demo­kra­tie und Gesetz­lich­keit, auf Gren­zen, auf Eigen­heit und Zivi­li­tät, ist kein „Frem­den­hass“.

War­um muss, in Deutsch­land, nach Vor­ga­be des Zei­chen­set­zens, die Begrün­dung von Demo­kra­tie nega­tiv, vom Bösen, von der Ver­gan­gen­heit her, erfol­gen? Im Bezug auf eine bequem un-deut­sche, näm­lich als “nazis­tisch” eti­ket­tier­te Wider­mensch­lich­keit? Die deut­sche Demo­kra­tie muss posi­tiv begrün­det wer­den, von heu­te her. Wah­rer Bezugs­punkt: Grund­ge­setz, von 1948. Glei­ches Recht für Frau und Mann; Ent­fal­tung in der Gemein­schaft; Ach­tung des Wil­lens zum Leben. Das sind die ers­ten drei GG-Arti­kel. Wer sie - völ­kisch, „reli­gi­ös“, anti­fa­schis­tisch - nicht ein­zu­hal­ten bereit ist, zeigt sich als Anzweif­ler deut­scher GG-Zivi­li­tät. Die­se funktioniert.

Erst vom posi­ti­ven Refe­renz­punkt, von der GG-Zivi­li­tät her, kann dann das gesamt-deutsch völ­ki­sche Ver­nich­tungs­un­ter­neh­men in einer frü­he­ren deut­schen Gesell­schaft begrif­fen werden.

Ein Wort zum Ras­sis­mus. Dem zei­chen­set­zen­den Drauf­gän­ger­tum gilt Skep­sis gegen­über der Migra­ti­on als „Ras­sis­mus“. Ist das nicht ein ver­al­te­ter Begriff?

Es geht doch nicht um Haut­far­be und Kopf­form. Son­dern um kul­tu­rel­le, mit dem GG par­tout nicht ver­ein­ba­re, oft anma­ßend als sakro­sankt „reli­gi­ös“ tabui­sier­te Eigen­hei­ten. Solan­ge deut­sche Medi­en, erbärm­lich „tole­rant“, den ehr­lo­sen Begriff „Ehren­mord“ ein­set­zen; solan­ge, mit­tels unbe­frag­ter „Religion“eine männ­li­che, über die Beklei­dung ver­mit­tel­te Her­ab­stu­fung der Frau als gott­ge­ge­ben gilt („Das ist mein Glau­be“); solan­ge aber auch, das sei schleu­nigst bei­gefügt, ein seit ca. 1800 Jah­ren unver­meid­bar hie­si­ger, kon­sti­tu­tiv frau­en­feind­li­cher Män­ner­bund, „all­ge­mein­gül­tig“ (kat-holisch) genannt - nebst „Protest“-Abzweigung -, unge­fragt, unle­gi­ti­miert vom GG, fach­lich nicht aus­ge­wie­sen, als höchs­te mora­li­sche Auto­ri­tät für uns Deut­sche gel­ten soll: solan­ge wird das Grund­ge­setz, wenn auch sal­bungs­voll, in Fra­ge gestellt; und wird die Zivi­li­tät missachtet.

Ein Hauch von Wei­mar! Schon ein­mal! Das sind die Gruß-For­meln, und Groß-For­meln, des Nazi­ge­trie­be­nen Zei­chen­set­zens. Wir leben nicht im Groß­deut­schen Reich, 1941. Auch nicht in jener - zei­chen­set­zend - her­un­ter­ge­mach­ten Repu­blik, 1931. Es häu­fen sich heu­te ver­gan­gen­heits­be­las­te­te Ver­wei­ge­rungs­schwü­re. Sand­kas­ten­haft. Thü­rin­ger Wahl: “Kei­ne Koope­ra­ti­on mit Nazis“. Und auch nicht - mit? „Faschis­ten“! Und: „Das wur­de uns schon ein­mal vor­ge­führt.“ Und: “Ein Hauch von Wei­mar liegt über der Repu­blik.“ Absa­ge­for­meln, aus dem zei­chen­set­zen­den Gruselkostümverleih.

Wer von heu­ti­gen Nazis redet, von Wei­mar heu­te, der ver­kennt den deutsch idea­li­schen Ter­ror, damals, das gewalt­mo­ra­lis­ti­sche Weg­sper­ren, das Auf­räu­men, das Mor­den, das Weg­schaf­fen, nach Osten, im Namen fah­nen­schwin­gen­den „Deut­schen Men­schen­tums“; deutsch­völ­kisch. Und rich­tig: es gibt, heu­te, schreck­li­che Gewalt­ta­ten, völ­kisch moti­viert. Es gibt aber auch, in der GG-Kul­tur, Insti­tu­tio­nen, die über Demo­kra­tie­pas­sung oder -nicht­pas­sung von Ein­zel­nen und von Par­tei­en zu befin­den haben. War­um wer­den nicht, ange­sichts jener Taten, anstatt gut ein­ge­führ­te Trotz­for­meln („Wir las­sen uns nicht …“) vor­zu­füh­ren, auf einen Schlag, und noch heu­te, wenn´s recht ist, und für den Anfang, 16.000 Poli­zei­stel­len, 16.000 Stats­an­walts­stel­len und 16.000 Rich­ter­stel­len geschaf­fen (für jedes Bun­des­land: 1000); es ist ja auch Geld da, in Mil­li­ar­den­hö­he, für obsku­re Bera­ter­tä­tig­kei­ten, bei diver­sen Regierungsstellen.

Nichts pas­siert. Wen wun­dert da der Zulauf zu einer vom Soll­buch der Anstän­di­gen so hero­isch wie sand­kas­ten­haft gemie­de­nen Schmuddelkindpartei?

Die Kri­se. Es könn­te sein, dass wir uns, in Deutsch­land, in der Kri­se befin­den. kri­sis: Zwie­spalt, Schei­dung, Zer­ris­sen­heit. Das ist bedrü­ckend. Zwie­spalt­part­ner könn­ten, annä­hernd, unter „Eigen­heit“ einer­seits und, nun ja, „Welt­of­fen­heit“ ande­rer­seits sub­su­miert wer­den. Viel­leicht gibt es einen Weg der Mitte.

Auf­tritt Han­nah Are­ndt. The­ma: Unmit­tel­ba­res Urteil. Die Kri­se, sagt HA, ver­langt von uns “unmit­tel­ba­re Urtei­le”. Die Kri­se näm­lich “wird zu einem Unheil erst, wenn wir auf sie mit schon Geur­teil­tem, also mit Vor-Urtei­len ant­wor­ten. Ein sol­ches Ver­hal­ten ver­schärft nicht nur die Kri­se, son­dern bringt uns um die Erfah­rung des Wirk­li­chen und um die Chan­ce der Besin­nung, die gera­de durch sie gege­ben ist.” (Zwi­schen Ver­gan­gen­heit und Zukunft. Übun­gen im poli­ti­schen Den­ken. Mün­chen 1994. 1: 1968, Bet­ween Past and Future.)

Das Vor­ur­teil, heu­te, in Deutsch­land, staats­mo­ra­lisch, zei­chen­set­zend, kri­sen­ver­schär­fend: Deutsch­land ist Nazi­land. Dage­gen die Erfah­rung des Wirk­li­chen, das unmit­tel­ba­re Urteil: Deutsch­land ist Grund­ge­setz­land. Das ist heu­ti­ge deut­sche Eigen­heit. Das ist der ein­zig wah­re Refe­renz­punkt. Für die Demo­kra­tie, die Zivi­li­tät. Das ist der Weg der Mit­te. Zwi­schen Eigen­heit und Weltoffenheit.

Von da aus, vom posi­ti­ven Stand­punkt, kön­nen wir dann zurück bli­cken - nicht sakral erin­nernd, geden­kend, son­dern hand­fest erken­nend - in eine Zeit furcht­bar gewalt­sa­mer deut­scher Kul­tur und Geschichte.